Mit dem Erwerb durch Schweden 1581 wuchs der Stadt Narva die Rolle eines wichtigen Stützpunktes für die schwedische Herrschaft über den Ostseeraum zu. Neben die wirtschaftliche trat die politisch-militärische Bedeutung. Als sich die schwedische Großmacht im 17. Jahrhundert stabilisierte, sollte sie durch ein System moderner Festungen gesichert werden, die zugleich den Urbanisierungsprozess fördern sollten. In Narva lebten Deutsche, Russen, Esten und Finnen, regiert von einer kleinen schwedischen Führungsschicht. Vor der Altstadt breiteten sich ungeregelt Vorstädte mit kleinen Holzhäusern aus.
Die Pläne zur Befestigung und Erweiterung der Stadt lassen sich in drei Stufen verfolgen. Konkurrierend legten die Festungsingenieure Georg Schwengell und Johann von Rodenburg 1645 Entwürfe vor. Schwengells Plan (Abbildung 1, Norden ist rechts) sollte Raum für eine vierfache Bevölkerung schaffen. Im Norden sollte die estnische Vorstadt einem rechteckigen Straßennetz mit großen Baublöcken weichen; hier war ein großer Marktplatz vorgesehen. Im Westen (auf der Abbildung oben) sollte ein weiterer Stadtteil mit diagonalem Straßennetz und einen großzügigen Kirchplatz entstehen. Weitläufige bastionäre Festungsanlagen sollten die Altstadt wie die Neustädte uneinnehmbar machen. Weniger großräumig plante Rodenburg, dessen Plan (Abbildung 2, Norden ist rechts) indirekt in einem Plan von 1660 überliefert ist. Auch er wollte die Stadt im Norden durch eine Neustadt mit rechteckigen Baublöcken erweitern, verzichtete aber auf eine zweite Neustadt. Doch verstärkte er den militärischen Schutz durch ausgestreckte Festungen im Osten jenseits des Flusses unter Einbeziehung der alten Burg Ivangorod mit der russischen Vorstadt. Diese Pläne kamen nicht oder nur ansatzweise zur Ausführung.
Nach dem Brand der Vorstädte 1659 kamen neue Planungen in Gang. Jakob Stael von Holstein legte 1663 einen Entwurf vor (Abbildung 3, Norden ist rechts), der die früher überdimensionierte estnische Vorstadt verkleinerte und die Stadterweiterung ringförmig um die Altstadt legte. Der kreisförmige Festungsring war militärisch zweckmäßig und kostengünstiger zu als in den früheren Planungen. In der neuen Stadt sollten nur noch Steinhäuser errichtet werden.
Der endgültige Ausbauplan (Abbildung 4, Norden ist rechts) stammt von Erik Dahlberg aus dem Jahr 1686, entwickelt nach Beratungen der Regierung in Stockholm seit 1681. Sein Entwurf reduzierte gegenüber 1663 die Erweiterungsfläche für die Stadt, deren Areal sich nun nur noch verdoppeln sollte. Die äußeren Festungsanlagen wurden verstärkt und der verbesserten Befestigungstechnik angepasst, während die Befestigungen der Altstadt zu schleifen, die gewonnenen Flächen für Bebauung zu verwenden waren. Ein großer Neumarkt (Nya Torget) mit einer repräsentativen neuen finnischen Kirche verband Alt- und Neustadt. Für die Bebauung waren einstöckige Steinhäuser vorgesehen. Eine Rekonstruktionszeichnung von Sten Karling vermittelt einen Eindruck vom Aussehen der geplanten Stadt (Abbildung 5).
Kersten Krüger (nach Eimer).
Sten Karling: Narva - eine baugeschichtliche Untersuchung. Stockholm 1936.
Karsten Labahn: Der Fernhandel über See der baltischen und russischen Ostseestädte im 18. Jahrhundert im Spiegel der "niederländischen Sundregister", in: Karsten Brüggemann (Hrsg.): Narva und die Ostseeregion. Beiträge der II. Internationalen Konferenz über die politischen und kulturellen Beziehungen zwischen Russland und der Ostseeregion (Narva, 1.-3. Mai 2003) - Narva and the Baltic Sea Region. Papers Presented at the II International Conference on Political and Cultural Relations between Russia and the Baltic Region States (Narva, 1-3 May 2003). Narva 2004, S. 139-159.
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